22.09.2015

Der digitale Kulturwandel

Ein philosophischer Ansatz zum Wandel der internen Kommunikation.

Der digitale Kulturwandel

Die interne Kommunikation verändert sich. Wer Mitarbeiter langfristig überzeugen will, muss verstehen, dass der digitale Wandel kein reines IT-Projekt ist, sondern vielmehr eine Evolution der Unternehmenskultur erfordert. Doch wie sieht effiziente Mitarbeiterkommunikation heute aus? Antworten finden Unternehmen an einem überraschenden Ort: in der Philosophie.

„Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.“ Dieser Grundsatz stammt aus der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick, Philosoph, Soziologe und Psychotherapeut. Kommunikation, so Watzlawick, finde stets auf zwei Ebenen statt: Über das gesprochene Wort, die „digitale“ Ebene, aber ebenso auch über die „analoge“, emotionalere Ebene der Mimik oder Körpersprache.

 

„Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.“

 

Übertragen auf die Medienwelt, haben auch zahlreiche Unternehmen – und noch mehr Agenturen – diese Theorie bereits zur Grundlage für wirkungsvolle Mitarbeiterkommunikation ernannt: Digitale Medien – sei es das Intranet, die Unternehmens-App oder das E-Magazine – sind vielerorts nicht mehr aus dem Medienportfolio wegzudenken. Das hat seinen guten Grund. Denn nicht nur die Medien und deren Funktionalitäten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Auch die Realität vieler Unternehmen hat sich stark verändert. Während interne Kommunikation in ihren Anfängen die Zufriedenheit der Mitarbeiter durch vergleichbar unkomplizierte Top-down-Kommunikation fördern sollte, sind ihre Aufgaben mit den Jahrzehnten sehr viel komplexer geworden.

Beispiel Henkel: Der Markenkonzern informiert seine Mitarbeiter weltweit über das Online-Magazin „Henkel Life“.

Beispiel Henkel: Der Markenkonzern informiert seine Mitarbeiter weltweit über das Online-Magazin „Henkel Life“.

Das Informationszeitalter hat unseren Arbeitsalltag grundlegend verändert: Selbstständigkeit und Eigeninitiative werden heutzutage von den meisten Mitarbeitern verlangt. Der informierte Mitarbeiter aber erwartet mehr als eine reine Ereigniskommunikation. Er will aktiv mitgestalten, die Hintergründe von Unternehmensentscheidungen verstehen – und bildet sich seine Meinung (notfalls) auch unabhängig von den Informationen, die er vom Management erhält. So ist zwar das Ziel der internen Kommunikation dasselbe geblieben: Loyalität der Mitarbeiter und damit Produktivität fördern. Die Mittel, wie sie es erreichen kann, haben sich jedoch grundlegend geändert: Sie muss den ökonomischen, gesellschaftlichen und informellen Wandel erklären, den Mitarbeitern eine Plattform zur Meinungsäußerung und -gestaltung bieten und sich gleichzeitig gegen ein immer umfangreicheres Angebot an Medien durchsetzen.

Die Chancen der digitalen Kanäle in dieser Hinsicht haben viele Unternehmen erkannt. So nutzen rund 40 Prozent der befragten Unternehmen im „Trendmonitor Interne Kommunikation 2013“ der scm auch Social Media; 34 Prozent wollen diese Aktivitäten weiter ausbauen. Doch erfüllt die interne Kommunikation derzeit die hohen Ansprüche, die Mitarbeiter – und das Management selbst – an sie stellen?


„Kommunikation“, so Watzlawicks Resümee, „gelingt bei Übereinstimmung analoger und digitaler Botschaft und wenn die Kommunikationspartner beide Teile der Botschaft in gleicher Weise interpretieren.“ Übertragen auf die interne Kommunikation, ergibt sich aus dieser Theorie nicht nur, dass die „analogen“ Printmedien weiterhin ihren festen Platz in der internen Kommunikation haben werden, da sie, vor allem auf emotionaler Ebene, ganz eigene Funktionen bedienen. In Watzlawicks Satz liegt ebenso eine Anleitung, wie digitale Kommunikation gelingen kann. Erfolgreiche interne Kommunikation vermittelt Unternehmensstrategie, gibt Mitarbeitern die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt, begleitet und unterstützt Change-Prozesse, fördert Loyalität und damit auch die Reputation und Legitimation bei allen Stakeholdern.

Beispiel Targobank: Analoges Printmagazin und digitale Online-Ausgabe ergänzen sich.

Beispiel Targobank: Analoges Printmagazin und digitale Online-Ausgabe ergänzen sich.

Doch während Branchenspezialisten und Agenturen bis vor einigen Jahren noch mehr Mut zu Digital Media forderten, sind diese vielerorts schon Realität. Viele interaktive Angebote wie Social Media, Foren und Diskussionsplattformen werden jedoch kaum angenommen – und teils mittelfristig wieder eingestellt. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Erfolgreiche digitale Kommunikation ist kein IT-, sondern ein Kulturprojekt! Es reicht nicht, das IK-Portfolio entsprechend dem Trend zu erweitern. Unternehmen müssen sich die Akzeptanz ihrer Mitarbeiter für und das Vertrauen in diese neuen Angebote erst verdienen – und dazu müssen Botschaften glaubwürdig sein.

Übereinstimmung der Botschaften: fünf Faktoren

Wenn die von Watzlawick geforderte „Übereinstimmung der Botschaften“ – also der Abgleich von Unternehmensinformation, individueller Mitarbeitermeinung und externer Reputation – gelingen soll, müssen fünf verschiedene Faktoren beachtet werden:
Es bedarf erstens einer klaren Strategie, die mit der Unternehmensstrategie im Einklang steht und diese mit Fakten und Hintergründen untermauert. In der Realität ist das noch nicht der Fall: Nur 40,5 Prozent aller Befragten im „Trendmonitor Interne Kommunikation 2013“ gaben an, eine solche Strategie schriftlich festgelegt zu haben.

Unternehmen müssen erkennen, dass unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Lese- und Informationsbedürfnisse haben. Um Thought Leadership zu gewährleisten, muss daher für den Einzelnen relevanter Content individuell aufbereitet und mittels der jeweils passenden Kanäle zugänglich gemacht werden. Bisher ergibt sich aus digitalen und analogen Medien meist ein fragmentarisches oder – schlimmer – redundantes Medienportfolio. Im Idealfall bilden alle Medien ein Netzwerk, beziehen sich aufeinander und liefern je nach Funktionalität optimierte Inhalte, die zur Interaktion anregen.

Ein solch komplexes Unterfangen kann letztlich nur mit einer effizienten Organisationsstruktur gelingen. Dazu gehört eine stark aufgestellte Abteilung, die eng mit allen anderen internen Beteiligten zusammenarbeitet, ihre Strategie stets an die Gegebenheiten im Unternehmen anpasst und Change-Prozesse aktiv begleitet. Handlungsbedarf besteht damit aber auch seitens der Agenturen: Nur wer die volle Bandbreite abdeckt – von der Konzeption eines strukturierten „Mediennetzwerks“ über die Erstellung relevanten Contents bis hin zur termingerechten Produktion von Print, online und App –, kann derart komplexe Projekte verlässlich betreuen. Stimmige Kommunikationsstrategien entstehen nur aus einer engen Zusammenarbeit von Kreation und Produktion. Dazu braucht es kurze, direkte Abstimmungswege und effiziente, technologiebasierte Prozesse. Mithilfe von Redaktionssystemen beispielsweise können Agenturen und Unternehmen standortunabhängig alle gemeinsamen Projekte koordinieren.

So ist der Wandel in der internen Kommunikation nicht nur ein unternehmensinternes Kulturprojekt. Auch die klassische Agentur muss sich weiterentwickeln. Denn wer zeitgemäße interne Kommunikation betreiben will, sucht künftig keine Spezialisten mehr – sondern ein erfahrenes Expertenteam, das alle Disziplinen optimal vereint.