20.11.2018

Perspektivwechsel: neue Erkenntnisse für den Geschäftsbericht

Unsere Studie „Crossmediale Geschäftsberichterstattung“ beleuchtet die Sichtweise der professionellen Berichtsleser. Ein Gespräch mit Philipp Mann über das Ende der Blackbox im Reporting und überraschende Ergebnisse.

Philipp Mann, geschäftsführender Gesellschafter von MPM Corporate Communication Solutions.

Warum war es an der Zeit für eine Studie zu den Nutzungsbedürfnissen von Investoren und Analysten?

PM Um die Trends und Anforderungen in der Berichterstattung zu identifizieren, nutzen wir bereits seit vielen Jahren empirische Methoden. Seit 2013 analysieren wir etwa mit unserem Trendmonitor die Geschäftsberichte der DAX-30-Unternehmen, um die aktuellen Tendenzen zu bestimmen. Aber die Perspektive der berichtenden Unternehmen ist schließlich nur eine Seite der Medaille. Wie korrespondiert das Ganze mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Rezipienten?

Die meisten Unternehmen agieren in ihrer Berichterstattung in einer Art Blackbox: Sie wissen weder, wie ihr Bericht de facto genutzt wird, noch kennen sie die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen. Diese Wissenslücke überrascht – ist der Geschäftsbericht doch das kostenintensivste Instrument der Unternehmenskommunikation.

Deshalb haben wir uns in diesem Frühjahr dazu entschlossen, in zusätzliche Mittel und Manpower zu investieren, um unser Wissen um die Sichtweise der Berichtsleser zu erweitern. Investoren und Analysten wurden in den bisherigen Untersuchungen zur Nutzung von Geschäftsberichten vernachlässigt, da es aufwendig und schwierig ist, sie zu befragen. Gemeinsam mit der Universität Leipzig haben wir uns deshalb dieser Zielgruppe der professionellen Berichtsleser angenommen. Und das hat sich gelohnt: Wir haben viele interessante und darunter auch ein paar wirklich überraschende Ergebnisse erhalten.

 

Welches Ergebnis hat Sie am meisten überrascht?

PM Ganz klar: der hohe Zuspruch der befragten Investoren und Analysten zu den digitalen Berichtsformaten. Bislang waren wir eher davon ausgegangen, dass Analysten den Geschäftsbericht als abgeschlossenes Arbeitsmedium und daher bevorzugt als PDF oder in der gedruckten Fassung verwenden. Der tendenzielle Rückgang an HTML-Berichten der DAX-30-Unternehmen in den vergangenen Jahren hatte diese Vermutung zunächst auch bestätigt.

Unsere aktuelle Befragung hat hingegen ein ganz neues Bild gezeichnet: Aus Sicht der 100 befragten Investoren und Analysten werden in Zukunft gerade die digitalen Berichtsformate, insbesondere HTML-Bericht und Apps, an Bedeutung gewinnen. Analysten und Investoren wünschen sich ein digitales Format, mit dem sie schnell und effizient arbeiten können. Und diese Erwartungshaltung zeichnet sich schon heute in der faktischen Nutzung ab: Vor allem die HTML-Berichte erfahren einen überraschend hohen Zuspruch, die Hälfte der Befragten nutzt sie häufig oder sogar sehr häufig. Auf den zweiten Platz in Sachen Nutzungshäufigkeit haben es übrigens die IR-Apps geschafft – und damit liegen sie sogar noch vor Printbericht und PDF.

 

„Das A und O eines digitalen Berichts ist eine gute Usability.“

Worauf achten Investoren und Analysten bei Online-Geschäftsberichten besonders?

PM Das A und O eines digitalen Berichts ist eine gute Usability. Die Navigation muss intuitiv sein, gesuchte Inhalte müssen schnell auffindbar sein. Aber auch die einfache Nutzbarkeit der Berichte auf dem bevorzugten digitalen Endgerät ist wichtig. Gerade bei den Kriterien Verfügbarkeit, Navigation und Interaktion haben die HTML-Berichte und Apps natürlich ihre Stärke, das bestätigte sich auch in der Einschätzung der Befragten. Diese deckt sich auch mit den am häufigsten genutzten Funktionen des HTML-Berichts – der Suchfunktion und interaktiven Kennzahlenvergleichen und Infografiken.

Aber auch inhaltliche Interessen beeinflussen die Präferenz für HTML-Funktionen. Wer sich beispielsweise für die klassischen Imagestrecken eines Berichts, für den CEO-Brief, Mitarbeiterthemen oder die Unternehmenskultur interessiert, schaut sich gerne Videos an. Interessierte an Bilanz, Anhang sowie Chancen- und Risikobericht nutzen bevorzugt PDF- und Excel-Downloads. Dank der sehr breiten Datenbasis konnten wir mittels Korrelationen viele interessante Zusammenhänge identifizieren.

Eine der zentralen Erkenntnisse ist, dass es innerhalb der Zielgruppe der Investoren und Analysten verschiedene Nutzertypen gibt: analoge, digitale und mobile Nutzer. Dass die digitalen und mobilen Nutzer zusammen mit mehr als 80 Prozent die deutliche Mehrheit umfassen, zeigt erneut: Digitale Berichtsformate sind auf dem Vormarsch.